Anagarika Govinda - Heil

Das Heilsverständnis des Buddhismus im Vergleich zum Christentum 
Der Buddhismus hat das Ziel, die "Ichheit" zu überwinden und zur "Ganzheit" erwachen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es einen von Buddha vorgezeichneten Weg:

Laut Anagarika Govinda sei der erste Schritt die Welterfahrung. Dafür müsse man das Leiden erkennen und dessen Ursache begreifen. Der Ursprung des Leidens sei die beschränkte Persönlichkeit, in der man sich die Erfüllung der eigenen Wünsche zum Ziel setze. Dieses habe zur Folge, dass man sich die augenblickliche Daseinsform zu behalten wünsche.
Dem hält der Buddhismus die positive Vorstellung der Reinkarnation entgegen. Der Wechsel von einer Form in die andere sei natürlich und notwendig. Die "Ichheit" sei die augenblickliche Daseinsform. Von dieser solle man sich abgrenzen. Dies bedeute aber nicht, dass man sich von einer Individualität an sich abwende, denn diese unterscheide sich von der "Ichheit" und sei nicht auf eine Daseinsform begrenzt. Die "Ichheit" sei also der Ursprung des Leidens - wenn man das verstanden habe, hätte man den ersten Schritt erreicht.
Der zweite Schritt sei die Weltüberwindung. Dabei gehe es um die Aufhebung der Leidensursache. Man solle sich von den eigenen Zielen und Wünschen abwenden und der Erfüllung individueller und gesellschaftlicher Pflichten nachgehen. Dafür müsse man die Unwissenheit überwinden, dabei sei es wichtig, sich nicht im begrifflichen Denken zu verstricken. Das begriffliche Denken bezeichne das Analysieren von isolierten Phasen, man probiere alles zu verstehen. Auch heilige Dinge probiere man mit der Wissenschaft zu erklären, was nicht möglich sei. Wenn man sich von der "Ichheit" komplett abgrenze, hätte man den zweiten Schritt erreicht.
Der dritte und letzte Schritt sei die Weltverwandlung. Hierbei erwache man zur Wirklichkeit und Ganzheit. Durch Konzentration auf das Innere könne man Gier, Hass und Verblendung überwinden. Man sei wie ein Tropfen im Meer. Es gäbe keine Dualität zwischen der Welt und einem Selbst. Man habe das Heil erreicht. Im Buddhismus wird dies auch als Nirwana bezeichnet. Diese drei Schritte sind nicht klar voneinander abzugrenzen, sondern greifen ineinander.

Das Christentum dagegen kennt nicht den selbst zu erarbeitenden Weg, den man gehen muss, um zum Heil zu gelangen. "Es ist das Heil uns kommen her von Gnad und lauter Güte", wie Luther es bezeichnet. Die Menschen bekommen das Heil bedingungslos von Gott geschenkt. Das Heil sorgt dafür, dass sie befreit werden: befreit werden von den Zwängen einer Bindung, die durch selbstsüchtige Interessen entstehen. Durch das geschenkte Heil wird die Selbsttrennung des Menschen zu Gott, den Mitmenschen, aber auch zu sich selbst überwunden. Sünden werden vergeben. Die „gute Tat“ folgt aus dem Glauben, sie ist die „Frucht des Glaubens“ (Martin Luther). Das Heil wird im Rahmen einer präsentischen Eschatologie nicht erst nach dem Tode erlebbar, sondern schon zu Lebzeiten, sodass das Heil auch der Vollendung des mitmenschlichen Daseins dient.
In vorreformatorischen Zeiten gab es sehr ausgeprägt die Vorstellung, dass man sich das Heil durch gute Taten bei Gott verdienen könne.

Zusammenfassend sehe ich zwei wesentliche Unterschiede. Der erste besteht darin, dass man sich im Buddhismus das Heil ausschließlich erarbeiten kann- aber auch erarbeiten muss. Im Gegensatz zum Christentum ist eine göttliche Gnadengabe nicht vorgesehen. Dieses widerspricht diametral einer Heilsbedeutung des Todes Jesu. Heil bedeutet christlich verstanden, dass das unabdingbare „Ja Gottes“ zu den Menschen an eins steht. Erst daraus ergibt sich der weitere Glaubensweg.
Damit hängt aus meiner Sicht der zweite wesentliche Unterschied zusammen. In der Taufe wird dem Menschen zugesprochen: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ (Jes 43,1), damit wird der Beginn einer unverlierbaren Geschichte Gottes mit diesem einem Menschen begründet. Gott liegt an dem „Ich“ eines jeden Menschen, es beginnt eine Beziehungsgeschichte, die auch bei der endgültigen Erfahrung des Heils im Himmelreich unverlierbar existent bleibt.
Der Buddhismus hingegen sieht - ganz im Gegensatz dazu - die Überwindung der „Ichheit“ als die entscheidende Grundvoraussetzung für die Gewinnung des Heils an.
AMB

Quellen:
Religionsbuch Oberstufe S.29-31
http://www.zenartblog.com/lama-anagarika-govinda/

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