Jungfrauengeburt


These: Die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung legen es nahe, die Wendung „geboren von der Jungfrau Maria“ aus dem Glaubensbekenntnis zu streichen.

Inwieweit steht und fällt der christliche Glaube mit der Jungfrauengeburt Jesu Christi? Für die Beantwortung der Frage ist es wichtig, welche Aufgabe der Glaubenssatz von der Jungfrauengeburt innerhalb des christlichen Glaubens spielt. Denn die Aufgabe des Glaubenssatzes von der Jungfrauengeburt ist es, das Geheimnis des göttlichen Ursprungs Jesu Christi zu verdeutlichen.

Ein entsprechender Durchgang durch das Neue Testament zeigt, dass es neben der Jungfrauengeburt noch weitere unterschiedliche Antworten auf die Frage nach dem göttlichen Ursprung Jesu Christi gibt. Gemeinsam ist ihnen eines: Gott sei in der Person Jesu Christi präsent, Gott wirke in ihm, durch ihn und an ihm. Ein Jesus Christus ohne göttliche Anteile hätte zur Folge, dass christlicher Glaube seines Fundaments beraubt wäre. Deshalb ist es den Autoren neutestamentlicher Texte so wichtig, die Göttlichkeit Jesu Christi zu beschreiben bzw. zu belegen.
Der neutestamentliche Befund benennt unterschiedliche Antworten. So gibt es zum einen die paulinische Sicht der Einsetzung in die Gottessohnschaft durch die Auferstehung. Die Auferstehung sei die Besiegelung seines Wirkens und seiner Verkündigung (vgl.Röm 1,4: „eingesetzt als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung“). Passend dazu ist der Befund, dass Paulus in seinen Briefen an einer biographischen Beschreibung des Lebens und Wirkens Jesu kein Interesse hat. Die Evangelien gehen anders heran. Die synoptischen Evangelien kennen etwa die Erzählung von Jesu Taufe, in der Jesus als der geliebte Sohn bezeichnet wird. Ob es sich hierbei um eine „Adoption“ handelt, wie in der Literatur gelegentlich beschrieben, sei dahingestellt: Fakt ist, dass Jesus Christus mit und nach der Taufe in vollkommener Einheit mit Gott lebt. Der Evangelist Johannes geht sogar von der Präexistenz des Gottessohnes aus. In seinem Prolog (Joh 1,1-14) wird deutlich, dass Christus schon vor seiner Geburt als Wesenseins mit Gott beschrieben und verstanden wird.
Allein diese drei ersten Antworten auf die Frage, inwieweit und gegebenenfalls ab wann Jesus Teil von Gott ist, zeigen, dass es weniger um das „Wie“, sondern um das „Dass“ geht: Jesus Christus ohne Anteil an Gott, oder Gott ohne Anteil an Jesus Christus zu denken, macht christlich gesehen keinen Sinn.
In diesem Gesamtzusammenhang ist auch die Fragen der Jungfrauengeburt Jesu Christi einzuordnen.

Von den oben genannten Antwortversuchen unterscheidet sich die These der Jungfrauengeburt darin, dass sie in der kirchlichen Bekenntnisbildung ausdrücklich aufgenommen worden ist. Die Evangelisten Matthäus und Lukas ( Mt 1,22 und Lk 1,35) wollen mit ihren Erzählungen begründen und erklären, warum Jesus zu Recht als der Sohn Gottes bezeichnet werde. Doch kann man dabei wirklich von einer Jungfrauengeburt sprechen?

Gegen diese Formulierung spricht, dass in der Bibel die Jungfrauengeburt nur im Matthäus und Lukas Evangelium beschrieben wird, auch heißt es im hebräischen Urtext, auf den sich Matthäus in Mt 1,22/23 bezieht, junge Frau und nicht Jungfrau.
Schon aus theolgisch-kritischer Sicht wirft diese Formulierung Probleme auf. Wenn Gott der tatsächliche Vater ist, dann wäre Jesus ein Halbgott. Dies würde bedeuten er wäre weder wahrhaft Mensch, noch wahrhaft Gott, doch genau das Gegenteil ist der Fall.
Ein weiterer Punkt ist, dass man die Jungfrauengeburt auch so interpretieren könnte, dass Jesus nur ohne die menschliche Sexualität rein geboren werden könne. Dadurch würde die Sexualität als Sünde angenommen werden, woraus man schließen könnte, dass es diese nicht mehr geben solle. Abgesehen davon ist eine Jungfrauengeburt aus naturwissenschaftlicher Sicht gar nicht möglich.

Es gibt allerdings auch viele Argumente dafür, die Jungfrauengeburt in dem Glaubensbekenntnis zu lassen. Manche vertreten die Vorstellung, dass Gott Macht über die Materie habe. Nur so könne es die Auferstehung geben, deswegen sei es logisch, dass Gott auch ein Kind entstehen lassen könne. Wäre Jesus nicht Gottes Sohn, so hätte er nicht die gleiche Macht. Die Trinität würde so keinen Sinn mehr machen, da Gott zu gleichen Anteilen aus Vater, Sohn und Heiliger Geist bestehe, die alle von gleicher Göttlichkeit seien. Dadurch würde der Kernbestandteil des christlichen Glaubens wegfallen.
Die Jungfrauengeburt ist nur ein Weg, um den göttlichen Ursprung Jesu Christi zu erklären. Sie kann metaphorisch gedeutet werden, sodass Jesus Christus wahrhaft Mensch und wahrhaft Gott sei. Dadurch sei er ebenso wesensgleich mit den Menschen. Man könne sich mit ihm identifizieren und sich an ihn wenden, da er einen verstehe. Trotzdem könne er auch einen von den Sünden befreien, da er auch wesensgleich mit Gott sei.
Letztendlich führt die Jungfrauengeburt zur Kreuzigung und Auferstehung Jesu hin, bei der die Gottessohnschaft bestätigt und besiegelt werde und die eschatologische Hoffnung aufgezeigt werde. Wäre Jesus aber nicht schon vorher wahrhaft Mensch und Gott gewesen, würde seine verbreitete Lehre ihres Grundsteins entbehren.
Ein weiterer Punkt, der in der Jungfrauengeburt enthalten ist, ist der Glaube. Sola fide, allein durch den Glauben, habe Maria Jesus empfangen (Lk 1,38). Hätte sie nicht an Gott geglaubt, so hätte sie Jesus nicht empfangen können. Dadurch könne Jesus erst den christlichen Glaube verbreiten. Die Voraussetzung für den christlichen Glauben sei der Glaube Marias. Die Kernbotschaft, dass man durch den Glauben, was erreichen könne, ist hier enthalten.
Somit geht es nicht um die Jungfrauengeburt an sich, sondern um den göttlichen Ursprungs Jesu Christi und der damit einhergehenden Liebe Gottes zu den Menschen. Gott ist Mensch geworden, um uns zu helfen.

Aus diesen Gründen denke ich, dass die Passage „geboren von der Jungfrau Maria“ im Glaubensbekenntnis bleiben sollte. Die Jungfrauengeburt vermittelt wichtige Kernbotschaften des Christentums. Es geht nicht darum, ob sie im wörtlichen Sinne oder im übertragenen Sinne gemeint ist. Sie deutet auf die göttliche Macht Jesu, die Liebe Gottes zu den Menschen hin und setzt den Glauben in den Mittelpunkt.

LG Anja


Quellen:
·         Bibel
·         Dogmatik von Wilfried Härle, 2. Auslage
·         https://gymbu.de/idesk/msg/pass.php/_/INBOX/1196/2.2-3/50-1306-m.pdf




Kommentare

  1. Schön dass ihr euch so viel Mühe gebt! ;)

    AntwortenLöschen
  2. Der letzte Abschnitt (Aspekt des Glaubens) ist mir etwas zu kurz und deshalb nicht ganz nachvollziehbar. Insgesamt finde ich aber deine Argumentation sehr überzeugend. Man merkt richtig, dass du dich intensiv mit der Thematik auseinander gesetzt hast. Außerdem ist dein Text ein schönes Beispiel dafür, dass es im christlichen Glauben nicht um "Wahrheit" im naturwissenschaftlichen Sinn geht. Sätze des GLAUBENSBEKENNTNISSES auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zu redigieren ist absurd. Andererseits ist eine Beleuchtung von Glaubensaussagen aus historisch-kritischer Sicht natürlich unumgänglich. Sie beugt Extremismus vor und hilft außerdem zur Essenz des Glaubens zurückzufinden. Denn genau so absurd wäre es, "Wahrheiten" des Glaubens gegen Erkenntnisse der Naturwissenschaft zu verteidigen.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts

Die Metapher "Salz und Licht" aus der Bergpredigt

Synoptische Vergleiche

Anagarika Govinda - Heil